Editorial Virginia Nr. 74 (Früjahr 2024)
Liebe Leserinnen,
Die Schrecken scheinen derzeit kein Ende zu nehmen: Nach der Corona-Epidemie begann der Krieg in der Ukraine. Am 7. Oktober folgte der Überfall der Hamas in Israel, bei dem zahlreiche Menschen ermordet wurden. Dieser richtete sich nachweislich besonders gegen Frauen und Mädchen, die Opfer massiver sexualisierter Gewalt wurden, die nichts, aber auch gar nichts mit "Widerstand" zu tun hat. Die Verschleppten sind teilweise bis heute in den Händen von Terroristen und Vergewaltigern. Was folgte, war und ist furchtbarster Antisemitismus in zahlreichen Ländern. Wir haben ebenfalls tiefstes Mitgefühl für die zivilen Opfer des Krieges auf Seiten der PalästinenserInnen, sind jedoch erschüttert darüber, dass es Solidarität inzwischen fast nur noch mit PalästinenserInnen zu geben scheint. Dabei wird die sexualisierte Gewalt
sogar häufig abgestritten – wie wir es als Phänomen nach Vergewaltigungen kennen.
Eine deutliche Gegenstimme kommt vom Bündnis Feminism Unlimited, das mit digitalen und hybriden Podien auf diese Verbrechen aufmerksam macht, aber auch gegen Israelhass und Antisemitismus. Mehr Informationen hierzu finden sich auf www.aviva-berlin.de. Betroffen sind hiervon auch Autorinnen wie die Leipziger Schriftstellerin Ronya Othmann (eine Rezension ihres Romans Die Sommer findet sich in Virginia 67), die sich wie viele andere JournalistInnen mit den Verstrickungen unserer Zeit auseinandersetzt. Sie wurde nach Ankunft in Pakistan vom dortigen Karachi- Literaturfestival wieder ausgeladen und musste das Land wegen angeblicher "zionistischer und islamophober Positionen" umgehend wieder verlassen – Ausladungen, wie wir sie inzwischen auch in Deutschland erleben. Wir können hier nur die Charta des
internationalen PEN zitieren, in der es heißt: "Literatur kennt keine Landesgrenzen und muss auch in Zeiten innenpolitischer oder internationaler Erschütterungen eine allen Menschen gemeinsame Währung bleiben."
Wir trauern um zwei Journalistinnen, die auch für die Virginiarezensiert haben und uns persönlich nahestanden: Die Autorin und Journalistin Ingrid Strobl starb Ende Januar und die Journalistin Marlies Hesse, Mitgründerin des Journalistinnenbunds und Namensgeberin des Marlies-Hesse-Nachwuchspreises, Ende Februar. Sie werden fehlen, uns aber in lebendiger Erinnerung bleiben.
In eigener Sache gibt es trotz allem noch eine positive Nachricht: Wir freuen uns sehr darüber, dass der AvivA Verlag, in dem die Virginia Frauenbuchkritik seit 2012 erscheint, auf der Leipziger Buchmesse im März mit dem Kurt-Wolff-
Preis 2024 ausgezeichnet wird. Die Laudatio wird die Autorin, Verlegerin und Übersetzerin Zoë Beck halten.
Eine anregende Lektüre wünscht
|