Editorial Virginia Nr. 77 (Herbst 2025)
Liebe Leserinnen,
50 Jahre ist es her, seit die ersten Frauenbuchläden in Deutschland gegründet wurden. Angeregt durch die in den USA seit 1970 existierenden, wurde 1974 der erste europäische in Paris gegründet, ein Jahr später der in Mailand. In Deutschland war Lillemor’s in München der erste, kurz darauf gefolgt von Lilith in Berlin, wo es später drei Frauenbuchläden gleichzeitig gab. Nicht nur folgten danach in großem Tempo mehr und mehr Frauenbuchläden in zahlreichen Städten, auch die Frauenund Lesbenverlage entstanden nahezu zeitgleich. Durch die Frauenbewegung war viel in Bewegung gekommen. Und bis heute gibt es nach wie vor sowohl Frauenbuchläden als auch Frauen-/Lesbenverlage und weltweit immer wieder Neugründungen. Uns ist es wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass es diese seit 50 Jahren gibt, denn dieses Jubiläum sollte nicht unbemerkt vorbeigehen. Mehr zur Geschichte der Frauen-Buch-Bewegung ist im Buch Sand im patriarchalen Getriebe von Doris Hermanns
nachzulesen (Rezension in Virginia 76).
Und auch in diesen Zeiten, in denen wir von schlechten bis furchtbaren Nachrichten überschüttet werden, gibt es noch gute: In Großbritannien existiert bereits seit 1996 der Women’s Prize for Fiction, der weltweite Beachtung findet; eine Rezension des diesjährigen Gewinnerbuches von Yael van der Wouden findet sich in dieser Ausgabe auf S. 12. 2023 wurde der Women’s Prize for Non-Fiction hinzugefügt und 2020 das Discoveries Programm für beginnende Autorinnen. Zudem wird Bernardine Evaristo zum 30-jährigen Jubiläum mit dem Women’s Prize Outstanding Contribution Award ausgezeichnet. Dessen Preisgeld behielt sie nicht für sich, sondern stiftete es als derzeitige Vorsitzende der britischen Royal Society of Literature für einen neuen Preis: den RSL Pioneer Prize für Autorinnen über 60, die eine Pionierin, eine Vorreiterin waren, und ab nächstem Jahr soll diejenige dann eine bereits verstorbene und in Vergessenheit geratene Autorin benennen, die sie wiederum inspiriert hat, als sie angefangen
hat zu schreiben. Und drei junge aufstrebende Autorinnen sollen ausgewählt werden, die mit ihnen von der RSL während des ganzen Jahres gefeiert werden.
In diesem Jahr wird der Preis erstmals vergeben, und zwar an die englische Schriftstellerin, Lyrikerin, Dramatikerin und Aktivistin für Tierrechte und AutorInnenrechte Maureen Duffy, die auch einen der ersten Lesbenromane geschrieben hat (The Microcosm, 1966) und die ihn mehr als verdient hat. Im deutschsprachigen Raum ist sie noch zu entdecken, bisher wurden erst zwei Bücher von ihr übersetzt.
Und auch einer deutschsprachigen Schriftstellerin können wir zu einem wichtigen Literaturpreis gratulieren: Ursula Krechel (Shanghai fern von wo, Landgericht u. v. a.) wird am 1. November 2025 in Darmstadt mit dem Georg-Büchner-Preis 2025 ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch!
Wir wünschen wie immer eine anregende Lektüre
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