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Editorial Virginia Nr. 69 (Herbst 2021)

Als 1986 Anke Schäfer und Hinrike Gronewold die Frauenbuchkritik Virginia gründeten, gab es zahlreiche Frauen- und Lesbenverlage, deren Bücher allerdings von den Mainstream-Medien weitgehend ignoriert wurden, so dass eine Zeitschrift notwendig wurde, die die Bücher aus diesen Verlagen besprechen und damit bekannter machen wollte. Benannt wurde sie nach der britischen Schriftstellerin, Literaturkritikerin und Essayistin Virginia Woolf, die in den 1970er-Jahren von der Frauenbewegung wiederentdeckt wurde.

Auf die Hochzeit des Feminismus und der Frauenbuch-Bewegung folgte vor allem seit den 1990er Jahren ein massiver Backlash. Manche glaubten, alles sei erreicht und Feminismus übertrieben und nicht mehr nötig. Gelder wurden und werden bis heute gestrichen, so in Berlin im Moment wieder für zahlreiche feministische Projekte, die seit vielen Jahren gute und wichtige Arbeit leisten.

Es wird gerne so getan, als ob Frauen erst durch das Internet angefangen hätten, sich zum Thema Gewalt zu äußern. Doch haben Frauen bereits vor Jahrzehnten Frauenhäuser und Frauennotrufe aufgebaut und bereits genauso lange sexualisierte Gewalt gegen Mädchen thematisiert. Auch der Kampf gegen den § 218 ist keineswegs neu. Auch wenn sich inzwischen vieles zumindest in Ansätzen geändert hat: Es gibt nach wie vor viel zu tun.

In der Bücherwelt ist derzeit einiges in Bewegung. Drei neue Verlage haben sich auf Bücher von Frauen spezialisiert: In der Schweiz gibt es seit dem vorigen Jahr den Verlag Sechsundzwanzig, der sich als Verlag für feministische Literatur versteht und ein Netzwerk für schreibende Frauen bietet. Ihr Bedürfnis ist, die moderne Literaturwelt diverser und inklusiver zu gestalten. Im Frühjahr legte in Deutschland der ecco Verlag (ein Imprint von Harper Collins) sein erstes Programm unter dem Motto »Was wir lesen wollen« – deutschsprachige und internationale Romane – vor und jetzt im Herbst erscheinen die ersten Bücher des Schweizer AKI-Verlags (ein Imprint des Kampa Verlags): von Belletristik über Lyrik bis zu Essays internationaler Autorinnen.

Bei aller Freude über mehr Werke von Frauen möchten wir doch darauf aufmerksam machen, dass diese Spezialisierung keineswegs neu ist, wie derzeit teilweise suggeriert wird, sondern bereits fast fünfzig Jahre alt: Der Verlag Frauenoffensive wurde als erster autonomer feministischer Verlag in Deutschland bereits 1974 gegründet. Und es folgten viele weitere – auch wenn einige dieser Verlage nicht bei ihrer Spezialisierung geblieben sind. Aber bis heute sind der Ulrike Helmer Verlag, der AvivA Verlag, die edition fünf, der Christel Göttert Verlag, der Verlag ebersbach & simon und der eFeF Verlag aktiv und sorgen zusammen mit den Verlagen Krug & Schadenberg und Ylva, die Lesbenliteratur verlegen, für Sichtbarkeit von Frauen. Sie sind aus der Buchbranche nicht mehr wegzudenken.

Wir wünschen Euch und Ihnen eine anregende Lektüre!

© Virginia Frauenbuchkritik