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Editorial Virginia Nr. 67 (Herbst 2020)

Als wir im Frühjahr das Editorial schrieben, hatte das Coronavirus gerade Deutschland erreicht. Wir konnten noch nicht absehen, wie sehr dies unser aller Leben verändern würde: Der erste Schreck in der Buchbranche war, dass die Leipziger Buchmesse abgesagt wurde, auf der Verlage normalerweise ihre Neuerscheinungen präsentieren. So wurden viele Frühjahrsnovitäten wenig bis kaum wahrgenommen. Außer in Berlin und Sachsen-Anhalt mussten alle Buchhandlungen zeitweilig schließen, von den geöffneten machten einige Rekordumsätze, viele anderen waren sehr erfinderisch und sorgten dafür, dass bestellte Bücher auf unkonventionellen Wegen zu ihrer Kundschaft kamen. Wo die einen mehr Zeit zum Lesen hatten, waren andere komplett überfordert mit der Neuorganisation des Alltags mit Homeoffice und Kinderversorgung.

Gleichzeitig gab es einen neuen Aufbruch, wenn auch aus einem furchtbaren Anlass: Nach den Toden von u. a. George Floyd und Breonna Taylor erstarkte die Black Lives Matter-Bewegung wieder, die sich gegen Gewalt gegen Schwarze bzw. People of Color einsetzt und immer breiter werdende Proteste gegen die Tötung Schwarzer durch Polizeibeamte organisiert, sowie gegen Racial Profiling und Rassismus im Allgemeinen. Für diejenigen, die mehr dazu lesen möchten, weisen wir zum einen auf die Rezension des Buches #BlackLivesMatter in der Virginia 63 vom Herbst 2018 hin, zum anderen haben wir aber auch eine Leseliste zum Thema erstellt, die auf unserer Homepage zu finden ist. Rassismus und Rechtsradikalismus werden uns in Deutschland sicher noch lange beschäftigen und unsere Aufmerksamkeit und unseren Widerstand erfordern.

Die Autorin und Filmregisseurin Tsitsi Dangarembga, deren Roman Aufbrechen in dieser Ausgabe besprochen wird, wurde in der gleichen Woche, in der bekannt wurde, dass ihr neuer Roman The Mournable Body auf der Longlist des renommierten Booker Prize steht (inzwischen auf der Shortlist), bei einer Demonstration in Simbabwe, bei der Reformen gefordert wurden, festgenommen. Sie wurde inzwischen wieder freigelassen, muss sich aber noch vor Gericht verantworten.

Wir wissen auch diesmal nicht, wie sich die Situation um die Corona-Ausbreitung weiter entwickeln wird. Falls es wieder zu einem Lockdown kommen sollte, gibt es in dieser Ausgabe der Virginia wieder zahlreiche Leseanregungen – und denkt

bitte daran, die Bücher bei eurer lokalen Buchhandlung zu bestellen, damit es diese nach der Corona-Krise auch noch gibt. Lesen kann bekanntlich in andere Welten entführen.

Der für 2020 geplante physische Ehrengastauftritt Kanadas auf der Frankfurter Buchmesse ist auf 2021 verschoben worden. Kanada wird jedoch bei der digitalen Buchmesse 2020 vertreten sein; ein Blick auf das Programm der Buchmesse lohnt also von überallher. Daher gibt es in der Virginia ausnahmsweise zweimal einen Schwerpunkt-Artikel zum Gastland, in dieser Ausgabe und in der Herbst- Ausgabe 2021. Auf unserer Website ist eine ausführlichere Literaturliste zu finden, die für die Printausgabe zu umfangreich war.

Ganz herzlich gratulieren möchten wir diesmal der edition fünf zu ihrem 10-Jährigen, dem Querverlag und dem Verbrecher Verlag zum 25-Jährigen, der Litprom zum 40-Jährigen und dem Milena Verlag, dem früheren Wiener Frauenverlag, zum 40-Jährigen.

Leselisten zu dieser Ausgabe: https://www.virginia-frauenbuchkritik.de/ausgaben/literaturlisten.htm

Bei aller Schwere: Viel Spaß beim Lesen!



© Virginia Frauenbuchkritik